News 2 : Büttner und Bause in der Marie Seebach-Stiftung

Absage Lesung in Weimar

Aufgrund der aktuellen Situation im Zusammenhang mit dem sich ausbreitenden Corona-Virus haben wir uns in Absprache mit der Marie-Seebach-Stiftung und den Künstlern Hellena Büttner, Peter Bause und Maria Bause dazu entschlossen, die Lesung „Und der Haifisch, der hat Zähne“ am 25. April in Weimar abzusagen.
Wir werden auf jeden Fall versuchen, die Lesung zu einem späteren Zeitpunkt durchzuführen.

19. März 2020

ABGESAGT: 25. April 2020 - "Und der Haifisch, der Hat Zähne"

Hellena Büttner und Peter Bause, Copyright Jürgen Frahm

Ein Nachmittag mit Hellena Büttner und Peter Bause

Die Götz George Stiftung freut sich auf die dritte Lesung im Marie-Seebach-Stift in Weimar. Dafür konnten wir die Schauspieler Hellena Büttner und Peter Bause sowie Maria Bause für eine hochinteressante Veranstaltung gewinnen.

Thema wird die Arbeit Bertholt Brechts an der Uraufführung der Dreigroschenoper 1928 in Berlin sein. Diese Vorstellung, die letztlich Theatergeschichte schrieb, wurde im Vorfeld von zahlreichen Intrigen und Krächen zwischen Lotte Lenya, Brecht, Kurt Gerron, Kurt Weill, Harald Paulsen, Erich Ponto, Carola Neher und Helene Weigel erschüttert. Diesen schwierigen Weg zur Premiere beschreiben und besingen Hellena Büttner und Peter Bause in einem wunderbaren Programm, unterstützt von Maria Bause am Klavier.

01. Februar 2020

Nachruf

Nachruf


Wir trauern um eine der großen Schauspielerinnen unserer Zeit. Margit Carstensen hat die Lebensbühne für immer verlassen. Doch wird ihre Kunst überdauern. Wir danken ihr für die außergewöhnlichen, bis ins Feinste aufgeschlüsselten Charaktere, die wir in ihrem Spiel entdecken und beobachten durften. 

Unvergessen jener emotionale Abend der Preisverleihung im Jahr 2019, als wir Margit Carstensen mit dem GÖTZ GEORGE – Ehrenpreis ausgezeichnet haben. Die Begründung der Stiftungs-Jury:
Margit Carstensen ist eine Ausnahmeerscheinung in der deutschen Theater-und Filmlandschaft, einzigartig in ihrem intensiven, bedingungslosen Spiel, ihrer grenzüberschreitenden Darstellung und in ihrer Konzentration, die das Publikum zum Zuhören zwingt und ausnahmslos in ihren Bann zieht.“

Margit Carstensen starb am 1. Juni 2023. Wir wünschen den Angehörigen viel Kraft für die kommende Zeit.

Der Vorstand der GÖTZ GEORGE STIFTUNG
Marika George, Tanja George, Christiane Waldbauer

Berlin, im Juni 2023

Nachruf von Leander Haußmann

Das ist Margrit Carstensen? DIE Margit Carstensen? Die Schauspielerin von DEM Fassbinder? Ich traf Margit so um 1991 in München am Residenztheater, an dem ich „Gespenster“ von Henrik Ibsen inszenieren sollte. Sie spielte damals in „Sechs Personen suchen einen Autor“ in irgendeinem Werkraum für hundert Zuschauer, fleißig, diszipliniert und Ensemble-fixiert. Das also war Margit Carstensen, die „Martha“. Ich konnte es nicht glauben. Und besetzte sie als Frau Alving in eben jenem Stück von Ibsen. Diese Begegnung war für uns beide eine künstlerische Offenbarung und der Beginn einer Reihe von Theaterarbeiten in München, Salzburg, Bochum und Berlin. Von den etwa 20 Arbeiten waren alle von großer  Unterschiedlichkeit. Die Amme in „Romeo und Julia“, Lady Bracknal in Oscar Wildes „Bunbury“ die Generalin in Tschechows „Die Vaterlosen“, Kreon in „Antigone“ …
Natürlich versuchte ich, ihr die Dramatik in ihrem Spiel ein wenig auszutreiben, das antike Pathos gegen eine gewisse moderne Komik in ihrer Darstellung zu ersetzen. Sie hingegen versuchte, mir mehr Mut zu geben, kompromissloser zu sein und moderner. Was auch immer modern oder avantgarde ist, Margit verkörperte diese Attribute auf natürliche Weise. Sie hatte Fassbinder überlebt und war nun in der Gegenwart der Neunziger Jahre angekommen – praktisch heimatlos und fand in meiner Truppe bis in die Nuller Jahre eine künstlerische Familie. Das Schwierigste war ganz sicherlich der morgendliche Probenbeginn. Da hielt sie sich gerne rauchend am Regietisch auf und war dankbar, wenn sie Geschichten über ihre Arbeit mit Fassbinder erzählen konnte, denen wir ehrfürchtig lauschten. Margit war ein Haudegen. Ein Theaterpferd, auch wenn er oft im Schlamm festgefahren war, sie zog den Karren am Ende über die Bühne. Margit lieferte. Sie war aber auch eine große Mutmacherin und Trösterin. Das, was sie selbst brauchte, gab sie auch großzügig zurück. Scheiß auf die da draußen, wir machen unser Ding. Unser Kredo: zum Genie gehört auch Faulheit! Lebten wir in besonderem Maße und nutzten die Angst des Nicht-fertig-werdens, meist ein paar Tage vor der Premiere, um in unseren Augen Großes zu schaffen.
Als Fassbinder einst für irgendein Festival Horvarts „Geschichten aus dem Wiener Wald“ inszenierte und man viel der Probenzeit mit Drogen und Alkoholexzessen verschwendet hatte und feststellen musste, dass nur noch drei Tage bis zur großen Festival-Premiere Zeit waren, überfiel alle die große Angst – denn der zweite Teil nach der Pause war nicht nur nicht fertig, sondern noch gar nicht in Angriff genommen. Fassbinder hatte die rettende Idee: Er würde die Texte auf Band aufnehmen und einspielen! Dazu tanzten alle Walzer zu Johann Strauß, die ganzen letzten Akte lang. Ich liebe diese Geschichte und hüte sie wie einen letzten Trumpf im Ärmel für künftige Arbeiten.
Mitte der Neunziger Jahre kam es zu einer kurzzeitigen Wiederaufnahme von „Martha“. Einige ausgewählte Kinos in München spielten den Film eine Woche lang. Ich war mit ihr in einer Nachmittagsvorstellung. Inkognito. Wie aufregend. Niemand erkannte sie. Und sie, Margit, die sich noch nie selbst auf einer Leinwand gesehen hatte, war aufgeregt wie ein kleines Mädchen. Sie vibrierte förmlich neben mir und stieß mir leicht ihren Ellenbogen in die Seite: jetzt, gleich kommt sie…
Und dann kam sie, die berühmte Kamera-Choreografie, die Michael Ballhaus dahin brachte, wo Margit nie hin wollte: Hollywood…
Margit war eine unter Schmerzen leidende, leidenschaftliche Schauspielerin. Ihre Krankenakte, über die sie niemanden im Unklaren ließ, war sicher ebenso lang wie ihr künstlerisches Oevre und mindestens genauso aufregend. Sie machte keinen Hehl daraus, dass sie in starkem Maße Medikamentenabhängig war und manchmal in schweren oder auch lustigen Momenten half sie uns mit euphorisierenden Mitteln aus. Hey, sie kam schließlich aus der Fassbinder-Familie und war nun so etwas wie eine Kriegswaise.
Margit ist nun gestorben. Sie ist eine der Letzten ihrer Art. Sie verkörperte all das, was ich immer gesucht hatte in der Kunst: Mut, Kompromisslosigkeit und menschliche Größe.

Leander Haußmann, Intendant, Regisseur, Autor und Freund

im Juni 2023

Marika George, Leander Haußmann, Margit Carstensen und Tanja George beim GÖTZ GEORGE PREIS 2019
(Copyright Fotos: Florian Liedel)